Das Mammakarzinom des Mannes

Brustkrebs-Initiative für ein aktives Leben

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Brustkrebs ist ein Thema, über das viele lieber nicht sprechen und es verdrängen. Und diese Diagnose löst bei Betroffenen und den Menschen, die ihnen nahestehen, oft ein Gefühl zwischen Furcht, Hilflosigkeit, aber auch Hoffnung aus. Noch herrscht auch weitestgehend Unklarheit, wodurch dieses Krebsleiden ursächlich entsteht.

Daran zu erkranken ist allerdings keine Frage falschen Handelns oder unausweichliches Schicksal. Das Risiko, an der bösartigen Tumorerkrankung zu erkranken, steigt mit zunehmendem Lebensalter. In Deutschland ist er bei Frauen die häufigste, aber nicht die gefährlichste Krebsart. Frühzeitig erkannt und behandelt lässt sich diese Erkrankung zumeist auch gut heilen.

In Chemnitz finden Patienten dafür beste Voraussetzungen. Im Medizinischen Versorgungszentrum Flemmingstraße der Poliklinik GmbH Chemnitz und in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums Chemnitz gGmbH gibt es besondere Programme zur Brustgesundheit: ob zur Früherkennung, Diagnose, Behandlung oder der Nachsorge.

Das Mammakarzinom des Mannes

Eine oft vergessene Erkrankung

Das Mammakarzinom des Mannes ist eine seltene Krebserkrankung, der bei der Etablierung von Brustzentren und von gynäkologisch-onkologischen Schwerpunktpraxen mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als noch vor einigen Jahren. Bedingt durch das geringe Auftreten dieses Karzinoms liegen derzeit auch nur wenige, vor allem retrospektive Untersuchungen sowie Fallbeschreibungen vor.

 

O Epidemiologie & Risikofaktoren

Weniger als ein Prozent aller Mammakarzinome entfallen auf Männer. In Deutschland wird mit ca. 400 Neuerkrankungen pro Jahr gerechnet. Die Inzidenz in Europa wird mit 1: 100.000 angegeben, wobei ein Trend des Ansteigens zu verzeichnen ist. Weltweit bestehen dabei regionale, rassische und ethnische Unterschiede. Mit zunehmendem Alter - das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 59 bis 67 Jahren - wird diese Erkrankung häufiger diagnostiziert. Männer erkranken im Durchschnitt etwa zehn Jahre später als Frauen.

Als Risikofaktoren gelten: eine gestörte Östrogen-Androgen-Balance (Klinefelter Syndrom, Gonadenerkrankungen, Orchiektomie, Adipositas, übermäßiger Alkoholkonsum), eine positive Familienanamnese, tägliche Arbeit unter Strahlen-, Hitze- und Abgasbelastung sowie BRCA1-/BRCA2-Mutationen und andere genetische Faktoren. Als Zweittumoren finden sich neben dem kontralateralen Mammakarzinom, Pankreas- und Prostatakarzinome sowie maligne Melanome und Leukämien.

 

O Klinische Gesichtspunkte

Typische Symptome sind ein oft schmerzloser Tumor im Bereich der Brustdrüse (Alveolar- bzw. Subalveolarbereich). Es kommt häufig zu Einziehungen der Brustwarze. Zum Teil werden auch Blutungen oder Sekretionen aus der Mamille (Brustwarze) von Männern angegeben. Leider herrscht in der Bevölkerung derzeit noch eine große Unwissenheit über diese Erkrankung („Männer haben keine Brust“), so dass die Erstvorstellung häufig im fortgeschrittenen, palliativen Stadium erfolgt. Lymphknoten-Befall wird mit etwa 40 bis 55 Prozent angegeben. In circa zwei Prozent der Fälle tritt die Brusterkrankung beidseits auf.

 

O Pathologie & Tumorbiologie

Hinsichtlich histologischer und immunhistochemischer Untersuchungen zeigen sich eine Reihe von Unterschieden zum Mammakarzinom der Frau. So tritt in Folge der anatomischen Gegebenheiten der männlichen Brust das invasiv lobuläre Mammakarzinom selten auf (etwa ein Prozent vs. zwölf Prozent bei Frauen). Häufiger (rund 90 Prozent) ist demgegenüber das invasiv duktale Karzinom zu finden (bei Frauen ca. 80 Prozent). Die Paget-Erkrankung wird seltener diagnostiziert.

Als besonderes Merkmal des Mammakarzinoms des Mannes gilt der Nachweis einer hohen Hormonrezeptorexpression (81 bis 91 Prozent vs. 74 bis 81 Prozent bei Frauen). Dabei steigt diese, wie bei postmenopausalen Frauen auch, mit zunehmendem Lebensalter an. Dieser häufigere Nachweis gilt sowohl für den Östrogen- als auch für den Progesteron-Rezeptor (ER-/ PR-Rezeptor).

Männer mit HER/2-neu-positivem Mammakarzinom werden selten detektiert. Wahrscheinlich liegt hierfür die Häufigkeit bei neun bis zehn Prozent. Für das triple-negative Mammakarzinom des Mannes liegen in der Literatur keine Angaben vor. Wir fanden diesen Subtyp bei circa zwölf Prozent der betroffenen Männer.

 

O Diagnostik

Der erste diagnoseweisende Arztbesuch erfolgt im Durchschnitt erst nach 27,5 Monaten. Dabei kann die erste, klinische Diagnose bereits durch einfaches Abtasten der Brust des Patienten gestellt werden. Als anerkannte diagnostische Maßnahmen neben der klinischen Untersuchung gelten Mammographie (kein Screening), Mamma-Sonographie, ggf. MRT sowie Biopsie und Sentinel-Node-Biopsie (SNB).

 

O Prognosefaktoren & Prognose

Bei Männern und Frauen mit Brustkrebsleiden werden nahezu identische Prognosefaktoren gefunden (Alter, Tumorgröße, Lymphknoten- und Hormonrezeptor-Status, Grading). Für Männer wird auch oft der Ehestand als zusätzlicher prognostischer Faktor genannt.

Die Lebenserwartung sinkt signifikant mit zunehmender Tumorgröße, Nachweis axillärer Lymphknoten-Metastasen, schlechter Differenzierung und fehlender Hormonrezeptoren-Expression sowie wahrscheinlich auch bei Nachweis des HER/2-neu-Rezeptors. Sowohl triple-negative Männer als auch Frauen haben eine signifikant schlechtere Prognose.

Oft findet sich in der Fachliteratur noch die Meinung, dass es sich bei dem Mammakarzinom des Mannes um einen deutlich biologisch-aggressiveren Tumor handelt. Diese Aussage resultiert vorrangig aus der Tatsache einer späteren Diagnostik mit der dann fortgeschrittenen Erkrankung, die dem unzureichend vorhandenen Bewusstsein in der Bevölkerung und der Ärzteschaft für eine Brustkrebserkrankung beim Mann geschuldet war.

Bei der Durchsicht der publizierten Daten vergleichender Studien unter Beachtung gleicher Prognosefaktoren wird von einem nahezu identischen Gesamtüberleben berichtet. Diese Aussage konnte durch unsere Matched-pair-Analyse an 108 Männern versus 108 Frauen mit Brustkrebs bestätigt werden. Wahrscheinlich sterben Männer mit Mammakarzinomen bei zunehmendem Alter häufiger gegenüber Frauen an nicht brustkrebsassoziierten Erkrankungen wie Koronarer Herzerkrankung oder Zweitmalignomen.

 

Therapeutisches Management

 

O Operative Therapie

In den zurückliegenden Jahren zeigt sich ein Trend von der radikal-modifizierten Mastektomie zur brusterhaltenden Therapie. Vorherrschendes operatives Verfahren bleibt allerdings die Entfernung der Brust. Die Entfernung des Sentinellymphknotens wurde in retrospektiven Untersuchungen analysiert und wird derzeit immer häufiger der klassischen Axilladissektion vorgezogen.

 

O Adjuvante Therapie

» Chemotherapie > Durch eine adjuvante systemische Therapie kann bei Männern das Risiko an der Erkrankung zu sterben, deutlich reduziert werden. Die Entscheidung für die Wahl der adjuvanten Therapie ist neben dem Performance-Status abhängig von Lymphknotenstatus, Tumorgröße, Grading, Hormonrezeptorstatus und HER/2-Status.

Patienten ohne Lymphknotenbeteiligung sollten unter Beachtung des individuellen Risikos eine anthrazyklinbasierte Therapie und Patienten mit positiven Lymphknoten eine Kombinationstherapie aus Taxanen und Anthrazyklinen erhalten. Künftig wird die Entscheidung für eine adjuvante Chemotherapie auch bei Männern am intrinsischen Subtyp (Luminal A, Luninal B, HER/2-Typ, Basal-Like-Typ) bestimmt werden. Bei HER/2-positiven Patienten ist eine Therapie mit Trastuzumab sinnvoll. Eine Übersicht zu adjuvanten Therapieoptionen wurde von der AGO 2011 erarbeitet (www.ago-online.de).

» Endokrine Therapie > Hormonrezeptorpositiven männlichen Patienten wird eine adjuvante systemische Hormontherapie mit Tamoxifen empfohlen. Beschränkt wird der Einsatz von Tamoxifen vor allem durch seine, bei männlichen Patienten ausgeprägten und schlecht tolerierbaren Nebenwirkungen wie Vergrößerung der Brust (Gynäkomastie), Impotenz und Verlust der Libido. Rezidivrisiko und rezidivfreies Überleben sowie das Gesamtüberleben werden durch eine endokrine Therapie signifikant beeinflusst. In retrospektiven Studien konnte das Rezidivrisiko bis zu 51 Prozent mit einer adjuvanten endokrinen Therapie gesenkt werden.

» Radio- bzw. Strahlentherapie > Männer, die brusterhaltend operiert wurden, sollten unbedingt eine adjuvante Bestrahlung erhalten und dass unabhängig von Stadium und etwaiger systemischer Therapie. Die adjuvante Bestrahlung der Brustwand senkt das Rezidivrisiko signifikant und kann das Gesamtüberleben verlängern. Begründet durch die geringe Datenlage, gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund von den adjuvanten Therapieempfehlungen für das Mammakarzinom der Frau abzuweichen.

 

O  Palliative Therapie

» Chemotherapie > Chemotherapien wurden aufgrund ihrer Toxizität beim metastasierten männlichen Mammakarzinom vorrangig als „2nd-line Therapien“ eingesetzt. Falls allerdings eine schnelle Remission erreicht werden muss, wie etwa bei ausgedehnter viszeraler Metastasierung an inneren Organen oder dem Versagen mehrerer antihormoneller Therapien, sollte eine Chemotherapie, analog zu den weiblichen Patientinnen, gewählt werden. Bei eindeutig positivem HER/2-Status wird auch bei palliativer Intention immer Trastuzumab, gegebenenfalls in Kombination empfohlen.

» Endokrine Therapie > Die endokrine Therapie gilt als erste Wahl in der metastasierten Situation. Neuere Einzelfallstudien beschreiben Therapieerfolge durch die Verwendung von GnRH-Analoga in Verbindung mit Aromatasehemmern. Diese Kombinationen hatten sogar nachweislich positive Effekte bei Patienten, die zuvor nicht auf eine Monotherapie angesprochen hatten. Der Hintergrund für solche Studien war die Annahme, dass durch Zugabe eines GnRH-Analogons die endokrine Feedbackschleife über Hypothalamus und Hypophyse bei Einsatz von Aromatasehemmern durchbrochen werden könnte. Zurzeit liegen nur wenige Erfahrungsberichte zur Verwendung von Fulvestrant beim Mammakarzinom des Mannes vor.

» Radio- bzw. Strahlentherapie > Indikationen zur palliativen Strahlentherapie sind Stabilisierung, Schmerztherapie und Verhinderung drohender Ulzerationen (Tumorbildung) durch beispielsweise lokal fortgeschrittene, rezidivierende sowie zerebral oder ossär metastasierte Erkrankungen.

 

O Zusammenfassung

Das therapeutische Management von Männern und Frauen mit Mammakarzinom unterscheidet sich leider signifikant. Oft werden Männer nicht an Zentren bzw. Schwerpunktpraxen diagnostiziert und therapiert. Unter Beachtung unserer Untersuchungsergebnisse, dass Frauen und Männer mit Brustkrebs mit identischen prognosebestimmenden Faktoren aber mit unterschiedlichem therapeutischem Vorgehen nahezu gleiche Überlebenschancen haben, könnte gegebenenfalls das Überleben durch Therapieoptimierung noch verbessert werden.

Für die Zukunft scheint neben der oben genannten Zentralisierung und Spezialisierung die Aufklärungsarbeit mit dem Ziel der Förderung eines Problembewusstseins für dieses seltene Krankheitsbild an Bedeutung zu gewinnen.

 

O Zentren und Schwerpunktpraxen

Das therapeutische Management von Männern und Frauen mit Mammakarzinom unterscheidet sich leider signifikant. Oft werden Männer nicht an Zentren oder Schwerpunktpraxen diagnostiziert und therapiert. Unter Beachtung unserer Untersuchungsergebnisse, dass Frauen und Männer mit Brustkrebs mit identischen prognosebestimmenden Faktoren aber mit unterschiedlichem therapeutischem Vorgehen nahezu gleiche Überlebenschancen haben, könnte gegebenenfalls das Überleben durch Therapieoptimierung noch verbessert werden.

Für die Zukunft scheint neben der oben genannten Zentralisierung und Spezialisierung die Aufklärungsarbeit mit dem Ziel der Förderung eines Problembewusstseins für dieses seltene Krankheitsbild an Bedeutung zu gewinnen.

Autor:

Prof. Dr. med. Frank Förster

Ärztlicher Leiter

MVZ Flemmingstraße

Schwerpunktpraxis für Gynäkologische Onkologie & Palliativmedizin der Poliklinik GmbH Chemnitz

 

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