Die meisten unserer Körperzellen sind jünger als wir selbst › zelleigene Reparaturmechanismen des Immunsystems beheben DNA-Schäden. Doch wie entsteht Krebs?

Tumorzellen (Brustkrebs) im Labor Chemnitz | Foto: Jan Felber

 

Interdisziplinärer Kontext und Praxisrelevanz zum 13. Gynäkologisch-Onkologischen Workshop in Chemnitz: ein Rück- und Ausblick

Dass unsere Lebenserwartung innerhalb eines Jahrhunderts in den Industrieländern durchschnittlich um 30 Jahre gestiegen ist, führen Experten vor allem auf die enorm gewachsenen Fähigkeiten der Mediziner und Biologen zurück.
Und der anhaltende medizinisch–technologische Fortschritt stimmt nicht nur Demografen in diesem Punkt weiter zuversichtlich.

Das Wunderwerk Mensch

Was unser Körper tagtäglich leistet ist hochkomplex: Atmung, Bewegung, Wahrnehmung, Koordinierung, Reflexion, Heilung und vieles mehr. Unterstützt wird dieses wahre „Konstruktionswunder“ aus Knochen, Muskeln, Haut und Nerven durch körpereigene Abwehrkräfte, die vor Krankheiten schützen sollen.
Es gibt nur wenige Dinge, mit denen ein gesundes Immunsystem nicht fertig wird. Selbst Krebszellen sind eigentlich kein Problem.

Der menschliche Körper besteht aus unzähligen einzelnen Zellen, von denen nur die wenigsten so alt sind wie wir selbst. Unsere Knochen etwa erneuern sich im Schnitt aller zehn Jahre komplett, unsere Blutzellen aller vier Wochen. Der Dünndarm bringt es auf ein stolzes Alter von sechzehn Jahren, unsere Leber erhält bereits nach zwei Jahren eine Verjüngungskur, Haut- und Schleimhautzellen werden rascher ausgetauscht und meist nur wenige Wochen alt. Auch in einem 80jährigen liegt das Durchschnittsalter sämtlicher Körperzellen bei sieben bis fünfzehn Jahren.
Zu den Zelltypen, die in der Regel nicht erneuert werden, zählen Nerven-, Ei- und Herzmuskelzellen ebenso wie Zellen der Augenlinse. Sie sind gewöhnlich so alt wie der jeweilige Mensch. Dazu machte Jonas Frisén bereits 2015 Furore, als er die komplette Austauschzeit von verschiedenen Körperteilen am Karolinska-Institut in Stockholm errechnete.

Regulation von Zellteilung

Es herrscht ein ständiges Gleichgewicht zwischen Zellteilung (also Erneuerung) und dem Zelltod. Dies ist lebensnotwendig und ein völlig normaler Prozess. Bei jeder Teilung verkürzt sich allerdings die DNA mit ihrer Erbinformationen, „Kopierfehler“ verfälschen eher zufällig das Erbgut und es wächst im Laufe des Lebens die Zahl der Mutationen, die fortan bei jeder Zellerneuerung weitergereicht werden. In jedem von uns entstehen so jeden Tag hunderte von Tumorzellen, die die Saat für eine spätere Krebserkrankung sein können. Doch unser Immunsystem wird hier über s.g. Killerzellen und biochemische Prozesse wirksam und ist in der Lage, diese zu erkennen und abzutöten.
Nur wenn dieser „Mechanismus“ ungünstig beeinflusst nicht ausreichend funktioniert, leben die Zellen weiter und vermehren sich so stark, dass sie gesundes Gewebe erdrücken. Es wächst ein Tumor.

Aus rund 100 Billionen (10^14) einzelnen Zellen besteht ein erwachsener Mensch

Je älter der Mensch wird, desto unzuverlässiger arbeitet das körpereigene Wartungs- bzw. Reparatursystem. Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe erkranken jedes Jahr in Deutschland rund 500.000 Menschen neu an der Volkskrankheit Krebs. Doch heute bereits können ca. 50% aller erwachsenen Krebspatienten geheilt werden.

Jeder Patient ist anders und jede einzelne Krebsart – mag sie noch so häufig vorkommen – unterscheidet sich durch individuell-einzigartige Bausteine in Diagnostik, Therapie und Überlebenswahrscheinlichkeit. Bei der Planung der Therapie tragen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen wie der Gynäkologie, Radiologie, Pathologie und Strahlentherapie mit ihrer Spezialexpertise dazu bei, einen individuellen, für jeden Patienten bestmöglichen Behandlungsplan zu erstellen.

Brustkrebs (Mammakarzinom) im Fokus

Nach wie vor ist das Mammakarzinom die häufigste bösartige Krebserkrankung bei Frauen der westlichen Welt. Zusehends besser behandel- oder gar heilbar steht sie im Mittelpunkt gynäkologischer Onkologie. Die Veranstalter des 13. Chemnitzer Gynäkologisch-Onkologischen Workshops hatten sich wiederum das Ziel gesetzt, auf Basis aktueller medizinisch-wissenschaftlich begründeter Erkenntnisse und praktikabler Leitlinien der Fachgesellschaften die Entwicklungen in der Onkologie zu fördern und zu unterstützen. Die Verbesserung des Wissens und der regelmäßige Austausch unter den Fachärzten ist hierbei wichtigstes Ziel. Die Integration neuer Therapiemöglichkeiten in die konkrete Situation der Patienten in Klinik und Praxis bleibt eine fortwährende Herausforderung.

Optimale Betreuung in jedem Stadium

Mit dem Übergang neuer Erkenntnisse zur breiten Anwendung gewinnt der direkte Austausch zwischen klinischer Forschung und den in der Praxis tätigen Kollegen immer mehr an Bedeutung. „Unsere Patienten sind Nutznießer dieser Arbeit. Sie setzen große Hoffnungen in neue Forschungsergebnisse – Stichwort: Immuntherapie, die auch im Hinblick auf die höhere Lebenserwartung in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert einnehmen wird“, so Prof. Dr. Frank Förster, Facharzt für Gynäkologie & Geburtshilfe, Gynäkologische Onkologie & Palliativmedizin und wissenschaftlicher Leiter des Workshops. „Wir können unseren Patienten in jedem Stadium der Krebserkrankung eine optimale Betreuung von der Diagnostik über operative und systemische Therapie bis zur Nachbehandlung in interdisziplinärer Zusammenarbeit anbieten“.

Prognostische und prädiktive Faktoren gewinnen bei der individualisierten Therapie des Mammakarzinoms zunehmend an Bedeutung und geben Auskünfte über den zu erwartenden individuellen Krankheitsverlauf; prädiktive Faktoren weisen auf geeignete therapeutische Maßnahmen hin. Gerade in diesem Bereich wird derzeit Informations- und Aufklärungsmaterial in zunehmendem Umfang im Internet für Patienten bereitgestellt, deren Qualität allerdings überwiegend als mangelhaft bewertet werden muss. „In hohem Tempo werden bedeutsame medizinische Ergebnisse der Onkologie generiert und auch wir wollen unsere Patienten aufgeklärt in Therapieentscheidungen einbinden.“

Die Versorgung gynäkologischer Krebserkrankungen erfordert Diagnostik- und Therapieoptionen nach modernsten Standards sowie eine strukturierte Zusammenarbeit mit kooperierenden Facheinheiten. Da die vielfältigen Fragen auf Probleme in der gynäkologischen Onkologie und Palliativmedizin nur interdisziplinär und multiprofessionell lösbar sind, richtete sich der Workshop abermals an alle Kolleginnen und Kollegen, die an der Diagnostik, Therapie und Nachsorge gynäkologisch-onkologischer Patienten beteiligt sind. In bewährter Weise wurden einzelne Themen und onkologische Problemstellungen unter Einbeziehung von Fallbeispielen komplex erörtert.

Ärztlicher Fachaustausch

Im Mittelpunkt des diesjährigen Workshops standen die neoadjuvante (d.h. vor der Operation) und adjuvante Systemtherapie des Mammakarzinoms, die vielfältigen multimodalen Vorgehensweisen beim metastasierten Mammakarzinom sowie der Stellenwert der Strahlentherapie und Palliativmedizin. Intensiv betrachtet und diskutiert wurden u.a. aber auch Fragestellungen der Tumorbiologie einer Metastase unter Beachtung des Menopausenstatus, die Frage des Remissionsdrucks als wichtiges Entscheidungskriterium für die Behandlungsauswahl bei fortgeschrittenem Mammakarzinom, die Bedeutung von Genmutationen bei Ovarialkarzinomen und deren therapeutische Konsequenzen sowie Aufgabenstellungen in der strukturierten Nachsorge.

Neben der intensiven Aufgabenstellung in der Diskussion hatten die Teilnehmenden wieder Gelegenheit zu persönlichem Austausch bei anregenden Gesprächen. Im kommenden Jahr dürfen sich alle Beteiligten und Interessierten auf den 14. Chemnitzer Gynäkologisch-Onkologischen Workshop freuen. Dieser wird dann am 1. September 2018 stattfinden.

Impressionen vom 13. Chemnitzer Gynäkologisch-Onkologischen Workshop › 02.09.2017

 

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