Ein Schlag Richtung Zukunft: Wie therapeutisches Boxen den Weg aus der Sucht begleiten kann

Es ist Dienstagvormittag im Sportraum am Standort Dresdner Straße des Klinikums Chemnitz. Anne* trifft sich hier wöchentlich mit Ergotherapeut Martin zum therapeutischen Boxtraining. Was nach Sport aussieht, ist ein wichtiger Baustein ihrer Suchttherapie.

Anne ist 40 Jahre alt. Ihre Geschichte ist geprägt von Kindheitstraumata, einer langjährigen Essstörung und schwerer Alkoholsucht. Heute lebt sie seit drei Jahren suchtfrei. Sport spielt auf ihrem Weg eine zentrale Rolle. „Als ich damals zum stationären Entzug war und gesehen habe, dass hier Boxtraining angeboten wird, habe ich mich getraut zu fragen. Diesen Sport wollte ich schon als Kind ausprobieren.“ – Anne

Boxen gibt ihr Kraft, Selbstvertrauen und Struktur im Alltag. Sie spürt ihren Körper wieder, kann abschalten, sich Ziele setzen und diese erreichen. Im fortgeschrittenen Therapieverlauf gehören punktuelle Grenzerfahrungen bewusst dazu – unter fachlicher Anleitung. Sie helfen dabei, persönliche Belastungsgrenzen kennenzulernen und zu verschieben. Die Erfahrung dabei ein Ziel zu erreichen, stärkt die Resilienz und hilft, mit belastenden Gefühlen konstruktiver umzugehen. „Mein Rekord? 3.000 Kniebeugen. Ich war völlig erschöpft, aber stolz, das geschafft zu haben.“

Das therapeutische Boxtraining ist Teil des Therapieangebotes der Poliklinik Chemnitz am Standort Dresdner Straße. Es verbindet Elemente aus verschiedenen Kampfsportarten wie Boxen, Kickboxen oder Selbstverteidigung und ist immer individuell an die Patient*innen angepasst. Ergotherapeut Martin erklärt: „Nicht jeder ist für das Training geeignet. Aber im richtigen Setting kann es Selbstwertgefühl, Koordination und eine alternative Form der Konfliktbewältigung fördern. Der Einsatz bei Patient*innen, die andere gefährden könnten, ist dabei ausgeschlossen.“

Begleitet wird das Training von Entspannungseinheiten wie Yoga oder gemeinsamen Wanderungen sowie Ernährungsberatung. So entsteht ein ganzheitlicher Therapieansatz – für Körper und Geist und eine geeignete Begleitung ins häusliche Umfeld.

Heute lebt Anne mit ihrem Hund, engagiert sich auf dem Tierhof, einem Gemeinschaftsprojekt der Klinikum Chemnitz gGmbH und der Poliklinik gGmbH Chemnitz, bei den Schafen Henri, Frieda, Harri, Emma, Ruth und Wilhelm und bereitet sich auf den nächsten Schritt vor: ihre berufliche Wiedereingliederung.

*Name geändert

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